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ausgelöscht


kryolan

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[B]25. November 2013[/B] Sie kam mit einer Flasche Wasser und einem Glas zurück ins Zimmer. Ich schaute mich immer noch um. Es war, als ob ich versuchte, etwas zu finden. Ich wusste nur nicht genau was. Ich fühlte mich noch sehr schwach und lehnte mich wieder an unzählige Kissen, die mir Sabah hinter den Rücken plazierte, damit ich es bequem hatte. In diesem Moment reichte sie mir das Glas Wasser. "Hier, trink etwas mein kleiner Engel". Ich nahm das Glas entgegen und während ich davon trank, beobachtete ich sie dabei, wie sie die Flasche wieder verschloss und abstellte. Sie ging hinüber zum Fenster und faselte etwas davon, dass es zu kalt für mich sei, während sie auch das schloss. Sie zog die Vorhänge zu und drehte sich lächelnd zu mir um. Ich stellte das Glas auf der Kommode ab und ging hinüber zu meinem Kleiderschrank. Als ich ihn öffnete bemerkte ich, das alles ordentlich war. Ich hatte das Gefühl, vor einem Regal in einer Boutique zu stehen, dabei war ich alles andere als ordentlich. Ich nahm mir ein Kleidungsstück und nahm es genauer unter die Lupe. Anschließend blickte ich zu meiner Schwester rüber. "Bermudashorts? Echt jetzt?" "Nun ja, die hast du damals gern getragen..." Ich stöberte weiter herum und begutachtete ein Kleidungsstück nach dem anderen. Es waren alles Sachen, die ich zuletzt während meiner Abi-Zeit trug. Ich schaute meine Schwester misstrauisch an. "Sabah, ich bin doch wohl nicht fünf Jahre lang mit denselben Klamotten aus dem Haus gegangen!" Ich blickte auf das Chaos, dass ich verursacht hatte und anschließend auf meine Schwester, die sich auf ihre Unterlippe biss. "Oder vielleicht doch? Ich meine...ICH WEISS ES JA NICHT MEHR UND DU KRIEGST DEINEN MUND JA AUCH NICHT AUF!" Ich wurde wütend und rastete aus. Meine Schwester behandelte mich seit meiner Entlassung vom Krankenhaus wie ein kleines Baby. Ich suchte mir passable Kleidungsstücke heraus und rannte raus in den Flur, um mich im Badezimmer umzuziehen. Plötzlich packte mich jemand von hinten am Arm und zog mich zurück. "Sabrine, warte bitte! Wo willst du denn um diese Uhrzeit noch hin?" Ich riss mich von ihr los und sah in ihre mit Tränen gefüllten Augen. "Warum weinst du jetzt?" "Ich mache mir Sorgen um dich, begreif es doch endlich!" Aus ein paar Tränen wurde ein richtiger Heulkrampf. Sabah sackte zu Boden und lies mit beiden Händen vor ihrem Gesicht ihren Tränen freien Lauf. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Ich hatte sie zuvor nie weinen sehen. "Sa...sabah?", flüsterte ich vorsichtig. Ich setzte mich zu ihr hin und nahm sie in den Arm. "Bitte hör auf zu weinen, mir geht es doch gut. Alles ist doch gut, oder?" Das wäre eigentlich ein geeigneter Zeitpunkt gewesen, um mir Recht zu geben, doch ihr Schluchzen wurde lauter. War etwa irgendwas nicht in Ordnung? Ich hatte den Autounfall doch überlebt. Die Erinnerung der letzten fünf Jahre meines Lebens wurden ausgelöscht aber...ich hatte überlebt. War das kein Grund zur Freude? Mein Schwager kam von unten die Treppe hochgerannt und zusammen halfen wir Sabah auf. Er schaffte es, sie zu beruhigen. Ich versprach ihr, nicht das Haus zu verlassen und verkroch mich wieder in mein Zimmer. Ich schaute mich wieder um, in der Hoffnung [I]irgendwas[/I] zu finden. Irgendwas, was mir verhalf, mich an irgendwas zu erinnern. An der Wand war ein großer Leinwanddruck mit dem Eifelturm drauf. Sabah erzählte mir, dass es ein Foto wäre, dass ich selbst geschossen hatte. Doch was hatte ich bitte in Paris verloren? Ich war in meiner Kindheit so oft dort gewesen, dass diese Stadt wohl eher mein letztes Touristenziel gewesen wäre.

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AW: ausgelöscht [B]26.November 2013[/B] Am nächsten Morgen wachte ich recht früh auf. Ich hatte die Nacht zuvor kaum bis gar nicht geschlafen. Zu viele Fragen schwirrten in meinem Kopf herum, die unbeantwortet blieben. Gepaart mit der Angst, mein Gedächtnis nie wieder zu erlangen, war es also ein grausiger Spaß. Es war sehr kalt in meinem Zimmer. Ich hatte wohl vergessen, die Heizung einzuschalten und als ich die Vorhänge öffnete, bemerkte ich dass das Fenster völlig durchschwitzt war. Ein Kälteschock überkam mich, als ich es öffnete. Ich schnappte mir schnell meinen Bademantel und floh ins Badezimmer, um heiß zu duschen. Ich konnte schon meinen Neffen unten plappern hören. Er erinnerte mich am meisten daran, dass mir ein Stück meines Lebens fehlte. Als ich 18 war, kämpfte Sabah noch darum, endlich schwanger zu werden. Sie und Mounir hatten es nicht leicht und zwischenzeitlich gaben wir alle die Hoffnung auf. Und nun lernte ich ihn erneut kennen; zum ersten mal quasi.Ich wünschte, ich könnte mich zumindest daran erinnern, wie sehr wir uns alle über den Nachwuchs gefreut haben. Nach dem duschen föhnte ich mir meine Haare und versuchte mich etwas schick zu machen. Ich suchte mir ein paar Kleidungsstücke heraus, doch von Schminke war in meinem Zimmer keine Spur. Na toll, wie sollte ich jetzt die dunklen Augenringe abdecken? Na klar, Sabah hatte als Visagistin ihren ganzen Schminktisch voll. Ich machte mich auf den Weg in ihr Schlafzimmer, doch ich konnte ihre Tür nicht öffnen, sie war verschlossen. Merkwürdig. Ich ging hinunter ins Esszimmer und dort saßen Sabah, Mounir, der kleine Noah und ein junger Mann, den ich nicht kannte. Oder vielleicht kannte ich ihn vor dem Unfall ja doch? Ich begrüßte alle und setzte mich an den Tisch. Ich fühlte mich etwas unwohl in seiner Gegenwart, er war mir so fremd. Die Tatsache, dass er oft in meine Richtung schaute und mich manchmal sogar anstarrte, machte es mir nicht viel leichter. Ich erfuhr, dass Adil ein Arbeitskollege und guter Freund von Mounir war. Je mehr er von sich erzählte, desto unsympathischer wurde er mir. "Herr Gott nochmal, sind alle Ingenieure so ätzend?", dachte ich etwas zu laut und erntete dafür überraschte Blicke seitens Mounir und Adil, und einen mahnenden von Sabah. Sie versuchte alles mit einem Lächeln zu überspielen, während sie sich eine Kanne schnappte. "Möchte jemand noch Tee?", fragte sie unsicher in die Runde. Mounir fing plötzlich an zu lachen und Adil auch. Ich schaute Sabah fragend an, doch sie legte die Teekanne wieder weg und blickte auf den Tisch. Mein Neffe lachte mit und klatschte fröhlich mit, dabei verstand er mit seinen fast zwei Jahren wohl genauso wenig wie ich. "Mounir, warum lacht ihr?", fragte ich ihn ernst und direkt. Er nahm einen Schluck von seinem Tee und holte erst einmal tief Luft. "Sabrine, tut mir Leid, dass ich gerade lachen musste. Es war nur so komisch." "Was fandest du denn so komisch bitte? Klär mich mal auf, ich möchte mitlachen!" Sabah legte ihre Hand auf meine Schulter und streichelte sie etwas. "Mein kleiner Engel, du hast ebenfalls Maschinenbau studiert und..." "Wie bitte?", stieß es sofort aus mir heraus. Ich entfernte Sabahs Hand von meiner Schulter und rückte mit meinem Stuhl etwas vom Tisch. "Ich hatte doch Jura studiert! Ich kann mich daran erinnern, wie ich mich eingeschrieben habe. Ich weiß doch noch, dass ich in den Vorlesungen war. Ich..." "Du hast es nach einem Semester abgebrochen", unterbrach mich Adil. Ich schaute ihn an und spürte etwas. Ich wusste zunächst nicht, was es war, doch als ich sein Lächeln sah, wurde es mir sofort klar. Ich war neidisch. Ich war neidisch auf Adil, weil er viel mehr über mich zu wissen schien, als ich selbst.

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AW: ausgelöscht [QUOTE=_Wasalam_;2293842]Lesezeichen! Klingt schon einmal [B]vielversprechend [/B]:)[/QUOTE] find ich auch. Irgendwie fesselnd.

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AW: ausgelöscht Am Vormittag machte ich mich fertig. Sabah, Noah und ich hatten vor, in der City etwas zu shoppen und uns einen schönen Tag zu machen. Nun ja, ich wollte nur deshalb mit, weil ich wirklich Kleidung brauchte. Zum Schminken hatte mir Sabah etwas dekorative Kosmetik und ein paar Pinsel gegeben. Ich durfte alles behalten. Warum sie ihr Zimmer verschloss, wollte sie mir nicht verraten aber damals empfand ich es als unwichtig und hakte nicht weiter nach. Während ich mich schminkte fiel mein Blick immer wieder auf das Pariser Bild. Ich hatte mir vorgenommen Sabah zu fragen, mit wem ich dort war und warum. Ich bin dazu gar nicht gekommen, unter anderem deshalb nicht, weil ich nach meinem Erwachen so durcheinander war, dass mich zu viele Details nur unnötig verwirrten. Sabah hatte bestimmt große Mühe damit, richtig mit mir umzugehen. Jeder ihrer Schritte, ihrer Worte und alle ihre Handlungen waren genau durchdacht. Und jeder Tagesablauf wurde vorher von ihr geplant. Meine Schwester war ein sehr organisierter Mensch. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie die älteste von uns allen ist. Als mein Vater starb war ich noch klein. Ich bekam wenig von den Umständen und der Trauer mit. Ich spürte damals als Kleinkind, dass etwas nicht stimmte, dass eine Veränderung anbrach aber weiter konnte ich mich damit nicht auseinandersetzen. Der Tod unserer Mutter trat für mich zur perfekten Zeit ein. Damals war ich 14. Ich hatte also nicht nur mit unreiner Haut, Stimmungsschwankungen & Co. zu kämpfen, nein. Das wäre ja noch schön gewesen. Sabah war damals 27 und verheiratet. Es war ein harter Kampf, das Sorgerecht für mich zu behalten. Ich muss aber zugeben, dass uns das Jugendamt nicht das Klischee eines Steine in den Weg legenden Monsters erfüllt hat. Es war uns viel eher eine Stütze, zumal mein Bruder damals auch bei uns gewohnt hat. Mein Bruder. Während ich plötzlich an ihn dachte, versaute ich mir meinen Eyeliner-Strich. Ich versuchte den verpatzten Strich wegzuzaubern, doch ich verschmierte nur alles. Genervt wischte ich mir das komplette Make-Up von meinem Gesicht weg. Sollen mich die Leute doch ungeschminkt sehen. Ich habe andere Probleme. Sabah kam in mein Zimmer. "Bist du endlich soweit? Ich hab Noah schon angezogen und ich bin auch..." "Kannst du nicht anklopfen?", unterbrach ich sie. Sie schaute mich überrascht an und stammelte etwas vor sich hin. "Ob du nicht anklopfen kannst hab ich dich gefragt!", fuhr ich sie an, "Es ist ja nicht so als ob ich dich nach eines der Faradayschen Gesetze gefragt hätte oder nach der aktuellen Wirtschaftslage, wo ich doch genau weiß, dass du sowieso keine Ahnung von solchen Dingen hast. Ich hab dich gefragt, warum du ohne zu klopfen in mein Zimmer kommst oder darf ich nicht einmal das wissen? Stelle ich wieder zu viele Fragen? Mach doch endlich mal deinen Mund auf, verdammt nochmal!" "Sa...sabrine..." Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Gerade saß ich noch auf meinem Bett, doch ich stand auf. Ich hatte keinen Bock mehr darauf Rücksicht darauf zu nehmen, ob ihr mein Verhalten nun passen würde oder nicht. Keine Ahnung ob und inwieweit ich mein Temperament in den letzten fünf Jahren zügeln konnte, doch ich verhielt mich wie die 18-jährige Sabrine, die ich nun mal kannte. "Nein, du fängst jetzt nicht an zu weinen. Du hast nicht das Recht dazu. Ich, [I]ich[/I] bin hier diejenige, die das Recht dazu hat. Mir ist schon die ganze Zeit zum Heulen zu mute. Ich würde gerne losschreien, meine Fäuste gegen irgendetwas boxen oder mir an den Haaren ziehen. Weißt du eigentlich wie es ist? Kannst du dir im Entferntesten vorstellen, was ich gerade durchmache?" Ich hielt inne, weil sich ein Kloß in meinem Hals bemerkbar machte und ich erst einmal schlucken musste. Sabah blickte zu boden, während sie sich ihre Tränen wegwischte. "Ich weiß es nicht", flüsterte sie. "Ich weiß nicht, wie es ist Sabrine. Nein, ich kann es mir nicht vorstellen. Ich weiß nur, dass ich nur das Beste für dich will. Und ich werde weiterhin versuchen immer für dich da zu sein und dir deinen Neustart so angenehm wir nur möglich zu machen." "Halt's Maul und verpiss dich!" Ich schmiss mich kopfüber auf mein Bett und ließ meinen Tränen ihren Lauf.

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AW: ausgelöscht Schöner Schreibstil, machaallah. Hoffe du enttäuscht uns nicht und machst brav weiter!!! :D :)

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AW: ausgelöscht [QUOTE=FrischLiiert;2295064]Der Anfang ist interessant. Ist die Geschichte wahr oder erfunden? Ich gehe mal davon aus, dass die wahr ist, denn ich glaube nicht, dass jemand in einer erfundenen Geschichte seine Elten sterben lässt.[/QUOTE] Doch, ich habe sie frei erfunden.

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  • 1 Monat später...

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